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Grußwort von Botschafter Manfred Huterer beim Gedenken zum 80. Jahrestag der Vernichtung des Grodnoer Ghettos am 12. März 2023
Sehr geehrte Überlebende und Zeitzeugen,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
für die Einladung an mich als deutscher Botschafter bedanke ich mich herzlich. Heute hier in Ihrem Kreis sein zu dürfen, empfinde ich als Geschenk und Ehre. Das Sprechen hätte ich an diesem Tag lieber anderen überlassen, da Sie mich aber bitten, möchte ich nicht ablehnen.
Die Einrichtung von Ghettos in Grodno und die Vernichtung dieser Grodnoer Ghettos Ende 1942/Anfang 1943 sind Teiltaten der erschütternden nationalsozialistisch-deutschen Menschheitsverbrechen „Shoah“ und „Angriffskrieg auf die Sowjetunion“. Belarus und seine Menschen haben unter diesen Menschheitsverbrechen in besonderer Weise gelitten. Für uns Deutsche sind diese Verbrechen unserer Großväter und Vorfahren Grund zu tiefster Scham.
In Grodno war in den Zwischenkriegsjahren fast die Hälfte der Stadtbevölkerung – 21.000 Personen – jüdisch. Als die Rote Armee im Juli 1944 Grodno befreite, lebten hier nur noch 200 jüdische Menschen. Zudem gelangten viele Tausende jüdische Menschen aus der Umgebung zwangsweise über Grodno in den gewaltsamen Tod. Sie waren Kinder, die nie erwachsen wurden. Eltern, die ihre Kinder nicht groß werden sahen. Großeltern, die nie mit ihren Enkeln spielten. Sie alle – mitten aus dem Leben gerissen durch deutsche Mörder. Und all das ist gerade einmal etwa ein Menschenleben her.
Dass ich, als deutscher Botschafter in Belarus, hier heute eingeladen bin und zudem gebeten werde zu sprechen, ist deshalb ein Geschenk, dessen Wert ich kaum zu ermessen vermag: Jüdische Menschen, Belarussinnen und Belarussen waren und sind bereit, uns Deutschen die Hand zu reichen. Dafür bin ich persönlich und sind wir Deutsche überaus dankbar. Wir werden dieses Geschenk unbedingt bewahren.
Aus den von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen der Shoah und des Angriffskriegs auf die Völker der Sowjetunion – Belarussen, Ukrainer, Russen oder Georgier – erwächst für uns Deutsche die Verpflichtung zur Erinnerung. Und die auf das „Nie wieder!“.
Wir Deutsche vergessen nicht. Und wir wissen uns in besonderer Weise verpflichtet, uns Antisemitismus und dem Hass von Menschen auf Menschen entgegen zu stellen.
Ich danke Ihnen für die Einladung.