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Grußwort von Botschafter Manfred Huterer aus Anlass des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Gedenkveranstaltung an der Stätte Jama am 27.01.

Gedenkveranstaltung an der Stätte „Jama“ am 27.01., © Deutsche Botschaft Minsk

27.01.2022 - Artikel

Auf Einladung der Organisatoren sprach Botschafter Manfred Huterer am 27. Januar 2022 ein Online-Grußwort bei einer Veranstaltung zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Johannes Rau“ in Minsk.

Sehr geehrte Zeitzeugen und Überlebene,

sehr geehrter Herr Tukalo,

sehr geehrter Herr Botschafter Goldmann-Shayman,

sehr geehrte Frau Sahm,

sehr geehrter Herr Kerpel-Fronius,

sehr geehrter Herr Andruschkewitsch,

sehr geehrter Herr Misgaev,

sehr geehrter Herr Rogatnikov,

sehr geehrte Frau Anoschko,

sehr geehrte Damen und Herren,

für die Einladung zu dieser Gedenkveranstaltung an mich als deutscher Botschafter bedanke ich mich herzlich. Teilnehmen zu dürfen, empfinde ich als Geschenk und Ehre.

Heute vor 77 Jahren befreiten sowjetische Soldaten Überlebende des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz. Der Name dieses Ortes selbst ist zu einem Synonym geworden, der die barbarischen und unverzeihlichen Verbrechen, die Deutsche an jüdischen Menschen und so vielen anderen begangen haben, zu umfassen sucht. Und zu einem Synonym für unermessliches Leid.

Ein Ortsname, der zum Begriff für ein Menschheitsverbrechen wird – das kann sich ein Mensch in seinem Geist nur schwer vergegenwärtigen. Vielleicht ist gerade dies aber so prägnant und bezeichnend – für die Tatsache nämlich, dass ein menschlicher Geist sich den von Deutschen begangenen vorsätzlichen Massenmords kaum zu vergegenwärtigen vermag. Und erst recht nicht das unermessliche Leid, das Deutsche anderen zugefügt haben.

Etwa sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens, jüdischer Herkunft wurden von Deutschen und im Namen Deutschlands vorsätzlich und industriell organisiert ermordet. Deutsche ermordeten aus niederstem Hass auch Sinti und Roma, Kranke, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, Menschen, die den Nationalsozialismus ablehnten, und Menschen, die von ihrer Religion nicht ließen. Und niemand unter den Ermordeten erhielt ein Grab, das sichtbar an ihn oder sie erinnern könnte.

Deshalb ist das Erinnern an sie in Veranstaltungen wie der heutigen so wichtig. Und weil das von Deutschen verübte Menschheitsverbrechen fast unvorstellbar und das von Deutschen verursachte Leid so unermesslich ist, ist es so wichtig, dieses Verbrechen detailliert zu erforschen und das Leid konkret zu benennen. Von Kindern zu berichten, die nie erwachsen wurden. Von Eltern, die ihre Kinder nicht groß werden sahen. Von Großeltern, die nie mit ihren Enkeln spielen konnten. So ist es für den menschlichen Verstand zu erfassen. Für uns heute – und für die Zukunft der Menschheit.

Dass Belarus und seine Menschen unter dem mörderischen Wüten von Deutschen im Zweiten Weltkrieg ganz besonders gelitten haben, dafür stehen auch Ortsnamen wie „Jama“, „Minsker Ghetto“, „Chatyn“ oder „Maly Trostenez“ – auch sie Synonyme. Dem Verband der belarussischen jüdischen öffentlichen Verbände und Gemeinschaften, der Geschichtswerkstatt, dem IBB selbst, natürlich Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und so vielen mehr ist zu verdanken, dass die Fakten der deutschen Verbrechen auf belarussischer Erde im Detail ermittelt und Schuldige benannt werden – und dass das Leid in Geschichten über Kinder, Eltern und Großeltern für den menschlichen Geist erfassbar gemacht wird.

Für uns Deutsche sind Synonyme wie „Auschwitz“, „Jama“ oder „Maly Trostenez“ Grund zu tiefster Scham. Aus dem von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen Shoah erwächst eine Verpflichtung. Wir dürfen und wir werden nie vergessen, was Deutsche an diesen und viel zu vielen anderen Orten anderen angetan haben. Deutschland bekennt sich zu dieser seiner historischen Verantwortung. Wir vergessen nicht. Und wir wissen uns in besonderer Weise verpflichtet, uns Antisemitismus und dem Hass von Menschen auf Menschen entgegen zu stellen.

In Deutschland selbst kämpfen wir mit der ganzen Härte der Gesetze und dem Engagement vieler, vieler Bürgerinnen und Bürger gegen neuen alten Antisemitismus. International engagiert sich Deutschland mit anderen in der International Holocaust Remembrance Alliance gegen die Verfälschung der Geschichte der Shoah. Und in den Vereinten Nationen haben Deutschland und Israel vor Tagen erst gemeinschaftlich eine Resolution gegen die Leugnung und Verfälschung der Shoah eingebracht. Belarus zählte zu den Unterstützern dieser Initiative. Die Generalversammlung hat sie im Einvernehmen angenommen.

Dass ich als Botschafter Deutschlands in Minsk heute zu dieser Gedenkveranstaltung an die Shoah eingeladen bin, ist ein Geschenk an uns Deutsche und an Deutschland - das Geschenk der Versöhnung, die die jüdische Gemeinschaft, die Belarussinnen und Belarussen und so viele, die unter Deutschland gelitten haben, uns Deutschen eröffnen.

Ich persönlich und wir Deutsche sind für dieses Geschenk überaus dankbar. Wir werden es unbedingt bewahren. Und wir verstehen es als Verpflichtung: Nie wieder!

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