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Rede von Botschafter Manfred Huterer anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktags am 27.01.
Sehr geehrte Zeitzeugen und Überlebende,
Sehr geehrter/geehrte Herr Gersten,
Sehr geehrter Herr Balakirev,
Sehr geehrte Frau Anoschko,
Sehr geehrte Frau Kaszteljan,
Sehr geehrter Herr Botschafter Goldman-Shayman
Sehr geehrte Frau Botschafter Kazana-Wisniowiecki
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke Ihnen sehr, dass ich heute am Holocaust Gedenktag als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland zu Ihnen sprechen darf.
Mein besonderer Dank gilt den Organisatoren des heutigen online-Forums „Holocaust – pamjat‘ na mestach pamjati“.
Es ist schön, dass wir in Zeiten der Pandemie auf diese Art und Weise weiter den Austausch pflegen und so auch menschlich in Kontakt bleiben können.
Die letzte große (physische) Präsenzveranstaltung, die ich letztes Jahr vor Beginn der Pandemie in meiner Residenz Anfang März durchführen konnte, war die
Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an sieben Überlebende des nationalsozialistischen Terrorregimes und Zeitzeugen, die regelmäßig in der
Geschichtswerkstatt auftreten. Für mich persönlich war diese einer der emotionalen Höhepunkte meiner bisherigen Tätigkeit als Botschafter in Belarus.
Ich freue mich daher sehr, dass viele Ausgezeichnete und Gäste, die damals anwesend waren, heute bei uns sind.
Meine Damen und Herren,
Der Holocaust steht symbolisch für den Zivilisationsbruch, den millionenfachen Massenmord an den Jüdinnen und Juden Europas.
Nationalsozialistische Vernichtungsorte gab es viele, vor allem auch in Belarus, das wie kaum ein anderes Land unter der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gelitten hat. Das Minsker Ghetto und Malyj Trostenez als größtes nationalsozialistisches Vernichtungslager auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion waren solche Orte des Schreckens. Sie sind durch gemeinsame Versöhnungsarbeit von Belarussen und Deutschen ins europäische Geschichtsbewusstsein gerückt worden.
Eine besondere Rolle haben dabei die Zeitzeugen gespielt, die Zeugnis ablegen und ihre Erfahrungen teilen, damit nachfolgende Generationen ihre persönlichen Lehren daraus ziehen können. Es ist ein großes Geschenk, dass sie anderen Menschen Einblicke in die dunkelsten Kapitel Ihres Lebens gewähren, auch wenn dies oft schmerzhafte Erinnerungen wachruft. Menschen wie ihnen sei großer Dank dafür. Eine bessere Form von Friedens- und Versöhnungsarbeit kann man sich gar nicht vorstellen.
Was Menschen durch Hunger, Krankheit, Zwangsarbeit und schließlich die perfide Ermordung in Gaskammern und durch Massenerschießungen erlitten haben, lässt sich kaum in Worte fassen. Wir Deutschen empfinden tiefe Scham angesichts der barbarischen Verbrechen, die hier von Deutschen verübt wurden – Verbrechen, die die Grenzen alles Fassbaren überschreiten.
An die Verbrechen zu erinnern, die Täter zu nennen und den Opfern ein würdiges Gedenken zu bewahren – das ist eine Verantwortung, die nicht endet.
Sie ist nicht verhandelbar; und sie gehört untrennbar zu unserem Land. Uns dieser Verantwortung bewusst zu sein, ist fester Teil unserer nationalen Identität, unseres Selbstverständnisses als aufgeklärte und freiheitliche Gesellschaft, als Demokratie und Rechtsstaat.
Der Holocaust und die Schrecken des Zweiten Weltkrieges sind kein abgeschlossener Teil unserer Vergangenheit. Es ist Vergangenheit, die nicht vergeht und die uns mahnt, Antisemitismus und menschenverachtende Ideologien nie wieder zuzulassen.
Leider leben wir in einer Zeit, in der totgeglaubte Dämonen der Vergangenheit wieder erwachen. Zunehmender Antisemitismus in Deutschland, aber auch in anderen Teilen der Welt, ist Bedrohung für unsere Demokratie und pluralistische Gesellschaft. Antisemitismus richtet sich nicht nur gegen Juden. Er ist Ausdruck einer zutiefst demokratiefeindlichen Weltanschauung und eine Gefahr für die gesamte Demokratie. Beim Kampf gegen Antisemitismus geht es um die Verteidigung der Grundwerte und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Uns allen ist klar, dass es eine zunehmende Herausforderung ist, die Erinnerung an die NS-Verbrechen wachzuhalten und die Erfahrungen der Vergangenheit für die Zukunft zu nutzen. Daher müssen wir Erinnerungskultur so entwickeln, dass sie auch in Zukunft Bestand hat.
Dies kann nur gehen, wenn alle Generationen hier zusammenarbeiten. Diese Frage wird sicherlich im Zentrum der heutigen Gespräche sein.
Ich wünsche Ihnen anregende Diskussionen.