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Rede von Geschäftsträger a.i. Michael Nowak zum Tag der Deutschen Einheit 2023

03.10.2023 - Rede

Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde der Deutschen Botschaft,

der 3. Oktober ist seit dem Jahr 1990 für uns Deutsche ein besonderer Tag. Heute vor 33 Jahren vollzog sich die Wiedervereinigung Deutschlands. Damit wurde ein Ziel erreicht, welches lange Zeit außer Reichweite schien, das jedoch nie aufgegeben wurde. Am 26. September 1973 zum Beispiel, als die Bundesrepublik und die DDR gerade in die Vereinten Nationen aufgenommen worden waren, sagte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt vor der Generalversammlung:

„Als Bundesrepublik Deutschland werden wir (…) auf einen Zustand des Friedens in Europa hinwirken, in dem auch das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen kann.“

Dafür, dass Deutschland 27 Jahre nach dieser Rede wieder vereint werden konnte, musste vieles zusammenkommen. Unter anderem waren zwei Dinge entscheidend: Zum einen gingen die Bürgerinnen und Bürger der DDR zu Hunderttausenden auf die Straßen ihres Landes und traten dort friedlich für Freiheit, Würde und Selbstbestimmung ein. Sie erkämpften die ersten demokratischen Wahlen in ihrem Land und setzten der SED-Diktatur ein Ende. Zum anderen vollbrachten Staatsmänner und Frauen aus Ost und West ein diplomatisches Meisterstück und handelten die Wiedervereinigung aus - im Einklang mit dem Willen der Menschen in Deutschland und im Einvernehmen mit unseren Nachbarn und Partnern. Nicht nur die Teilung Deutschlands wurde damals überwunden, auch der europäische Kontinent wuchs wieder zusammen.

Wie außergewöhnlich der historische Moment von damals war, das zeigt uns der Blick in die Gegenwart. In Europa herrscht einmal mehr Krieg, nachdem Russland – mit Unterstützung der belarussischen Führung – den gemeinsamen Nachbarn Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen hat. Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf die Sinnlosigkeit dieses Kriegs eingehen, der von illusionärem Imperialismus getrieben ist, der gegen das Gewaltverbot der Vereinten Nationen verstößt und der tagtäglich viel zu viele unschuldige Opfer in der Ukraine fordert.

Vielmehr möchte ich heute den Blick darauf richten, dass eine andere Zukunft auf unserem Kontinent möglich ist, auch wenn ein Frieden derzeit in weite Ferne gerückt scheint. Heute möchte ich daran erinnern, dass Belarus auf unserem gemeinsamen europäischen Kontinent tief und fest verwurzelt ist - geographisch, historisch, mental. Heute möchte ich betonen: Die Zukunft eines souveränen, freien Belarus ist europäisch.

Dass die Beziehungen zwischen Europa und Belarus, zwischen Deutschland und Belarus gegenwärtig weit von dem entfernt sind, was sie sein könnten - das wissen Sie alle, die Sie heute den Tag der Deutschen Einheit mit uns feiern, so gut wie ich. Viele unserer Partnerinnen und Partner vermissen wir an diesem Tag schmerzlich, weil sie zu Unrecht inhaftiert sind oder weil sie sich gezwungen sahen, ihre Heimat Belarus zu verlassen. Organisationen wie das Goethe-Institut und der DAAD, die sich jahrzehntelang im wahrsten Sinne des Wortes für Verständigung zwischen unseren Ländern einsetzten, mussten auf Druck der belarussischen Führung ihre Tätigkeit in Belarus einstellen.

Umso wichtiger ist es angesichts der tiefen politischen Kluft, die Kontakte zwischen den Menschen unserer Länder weiter zu fördern. Wir Deutschen ehren das Gedenken derer, die den Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Opfer fielen. Wir sind dankbar für das Geschenk der Versöhnung und schätzen den Austausch mit den jüdischen Gemeinden in Belarus sehr. Zivilgesellschaftliches Engagement wie die zahlreichen deutsch-belarussischen Tschernobyl-Initiativen, die seit Jahrzehnten wertvolle und erfolgreiche Arbeit leisten, wollen wir weiter fördern, und wir hoffen, dass dies auch von den belarussischen Behörden unterstützt wird. Und auch Reisen von Belarussinnen und Belarussen nach Deutschland wollen wir wie bisher ermöglichen. Allein in diesem Jahr haben wir bereits über 40.000 Visa ausgestellt.

Eine positive Zukunft der deutsch-belarussischen, der europäisch-belarussischen Beziehungen mag derzeit ein Wunsch sein. Aber sie ist möglich, und darauf arbeiten wir hin.

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